Gestrandet
Herman Melvilles 1851 in New York und London erschienener Roman “Moby-Dick“ begleitet den Kölner Künstler Michael Nowottny seit über 15 Jahren. Ähnlich wie Kapitän Ahab, der dem legendären weißen Wal hinterher reist, der ihm ein Bein abgerissen hat, so zieht es auch Michael Nowottny geradezu manisch an Orte, an denen er Wale sichten und der Geschichte des Walfangs begegnen kann. So arbeitete er unter anderem auf Föhr, in Schottland und auf den Azoren. Dabei fließt immer die Aktualität des Themas Walfang in seine Arbeiten – die Japaner etwa haben wieder begonnen Wale zu fangen und auch in der westlichen Welt ziehen die Wale als Symbole eines ursprünglichen Lebensraums Meer großes Interesse auf sich.
Vielmehr spürt Nowottny der überzeitlichen und symbolischen Bedeutung des Wals und des Walfangs nach. Auch darin trifft er sich mit Melville, der inseinen Roman zahlreiche philosophische, mythologische und auch kunsthistorische Betrachtungen einbaute. Ähnlich wie Melville, dessen Roman von genauer Kenntnis der Welt des Walfangs im 18. und 19. Jahrhundert zeugt, so lässt auch Nowottnys künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema „Moby-Dick“ auf eine intensive Beschäftigung mit dem Wal, seinem Lebensraum, seiner historischen und literarischen Bedeutung sowie der Geschichte des Walfangs schließen. Bei seinen Reisen fotografiert der Künstler die Wale. Er skizziert ihren Lebensraum und sammelt Relikte von Walen wie etwa deren Knochen. Außerdem entstehen bei diesen Reisen Videos, die ebenso wie die Skizzen und handschriftlichen Notate später im Atelier als Vorlage für teils großformatige Leinwandarbeiten dienen, die er – auch das eine Reminiszenz an Melvilles Roman – gerne freihängend präsentiert und so an die Segel historischer Walfangboote erinnern soll. Nowottny ist es wichtig, den Betrachter an der Entstehung seiner Werke teilhaben zu lassen. Damit können sie während seiner Performances aktive Teilnehmer des künstlerischen Prozesses werden. Durch die Vielzahl von Materialien, mit denen er in der Ausstellung seine Auseinandersetzung mit dem Thema sowie seinen Such- und Arbeitsprozess dokumentiert, lässt er die Besucher an diesem Kampf um die Gemälde teilhaben. Dieser erscheint ähnlich obsessiv und dramatisch wie Ahabs Jagd nach dem weißen Wal.
In diesem Sinne erscheint Ahab in Nowottnys „Gestrandet“-Projekt als Alter Ego und als Sinnbild des Künstlers generell, der von seiner künstlerischen Idee und von deren Realisierung getrieben wird – aber sich ähnlich wie Ahab letztlich verzehrt. So ist Nowottnys künstlerische Auseinandersetzung mit „Moby-Dick“ nicht nur eine Neuinterpretation des historischen Romans, sondern sie offenbart ähnlich wie dieser eine zutiefst existentielle Bedeutung.
Maria Linsmann-Dege, Köln 2019
Links: www.nowottnyart.de
www.youtube.com/nowolaborfilm (Der dritte Tag / Die Predigt / Waljagd im Rhein)
Kontakt: Michael Nowottny / Maybachstr. 138 / 50670 Köln
+49 (0)171.953 6143 / mnowottny@t-online.de