Ilse Wegmann: Hinter Gittern


Von Jürgen Röhrig


Dem Material gewöhnlicher Aktenordner entlockt Ilse Wegmann überraschende ästhetische Qualitäten. Sowohl die Pappdeckel als auch die Metallteile der Mechanik sind für sie visuelle Ereignisse, die sie auf unterschiedliche Weisen zu Objekten formt.

Die Bad Honnefer Künstlerin hat einen wachen Blick und ein großes Gespür für die stillen Sensationen alltäglicher Dinge und Stoffe. Ruß, Mehl, Zucker, Milchtüten - vieles, was sie verwendet, stammt einfach aus Küche und Haushalt. Oder sie findet Gegenstände in alten Bunkern oder aufgegebenen Werkstätten. Hier sind es nun die banalen Aufbewahrungsmittel aus dem Büro, die gegen ihre Funktion gebürstet und neu zum Sprechen gebracht werden, darunter auch ein Faxgerät, das bereits zu den veralteten Techniken gehört. Außer Funktion hat es auf einem Stuhl Platz genommen und streckt uns gleichsam eine schwarze Zunge heraus.

Ilse Wegmann nimmt Papierschichten der Aktendeckel ab und legt ihr informell fleckiges Innenleben frei. Sie verbindet Ordner zu seriellen Objekten. Eine ungewöhnlich geformte Mechanik wird auf schwarz bemaltem Aktenordner-Grund herausgestellt und zeigt so ihre plastische Qualität. Gleiches gilt für die Reihe der Halterungen mit luftgefüllten Papiertüten an der Wand.


Nicht zum ersten Mal stellt Ilse Wegmann in Köln aus. Hier hat sie an der FHS für Kunst und Design studiert, und hier hat sie 2001 bei Exit-Art im Deutzer Bahnhof eine wunderbare Plastik aus Zuckerwürfeln präsentiert. Viele andere Einzelausstellungen verzeichnet ihre Künstlerbiografie, darunter auch in Galerien in Paris, Budapest und Quebec. Erstmals ist sie im Labor am Ebertplatz vertreten, und dass es auch hier ein Solo-Auftritt ist, im Labor nicht üblich, liegt an der Kooperation des Kölner Vereins mit dem Rhein-Sieg-Kunstverein, die hiermit Premiere hat. Im Oktober folgt ein Auftritt von Michael Nowottny im Siegburger Pumpwerk.


"Hinter Gittern" - der Titel sagt bereits, dass Wegmann auf die Situation der Labor-Galerie reagiert.  Und so stellt sie ihre durchaus autonome Ästhetik auch in den Kontext des Geschehens am Ebertplatz, mitbestimmt durch die Gewalt in der Drogenszene (siehe die "Tütchen") und die unterschiedlichsten Reaktionen darauf, nicht zuletzt polizeiliche Maßnahmen. Die Künstlerin geht an diesen sozialen Brennpunkt mit der Fiktion, dass die Polizeiakten Ebertplatz digitalisiert und die alten Ordner umgekrempelt, ja sogar seziert werden können. Damit enden die Rubrizierungen, vielleicht auch die Stigmatisierungen und einseitigen Schuldzuweisungen, zumindest im analogen, jetzt dem ästhetischen Urteil zugeführten Geschehen.


Mit ihrer Arbeit - im buchstäblichen Sinn hinter Gittern, wenn die nicht gerade geöffnet sind -  setzt Ilse Wegmann sich entschieden ab von den zurzeit häufig zu erlebenden Plattitüden dezidiert politischer Kunst. Sie überzeugt uns, wenn wir uns darauf einlassen, mit ihrem künstlerischen Eigensinn, den ästhetischen Qualitäten ihrer Objekte, die uns allein durch die Kraft ihrer Anmutung zunächst einmal ergreifen und dann vielleicht zum Denken bringen, zu einer Reflexion auch darüber, was am Ebertplatz vor und hinter Gittern passiert.

 

Ilse Wegmann Installation / Objekte


HINTER GITTERN


„Brennpunkt“, „Schandfleck“, „Drogen“, „Kriminalität“,

„No-go Zone“ etc. sind Attribute,die dem Ebertplatz zugeschrieben werden.

Die alten Aktenordner haben ausgedient!

Sie sind leer. Einige werden umgekrempelt, seziert, recycelt und bekommen dahereine neue Funktion im ästhetischen Sinne.


Eröffnung: Freitag, den 13.09.2019 ab 19 Uhr


Ausstellung: 14.09. – 04.10.2019

Öffnungszeiten: täglich 15 – 20 Uhr und nach Vereinbarung

Kontakt: ih.wegmann@t-online.de


Eine Ausstellung in Kooperation mit dem

Kunstverein für den Rhein-Sieg-Kreis e.V.